
Keine Überraschungen
Wie wir Hinterlassenschaften aus der
Vergangenheit auf den Grund gehen
SuedLink wird eines der umfangreichsten Bauvorhaben Deutschlands. Bevor es ab dem kommenden Jahr richtig losgeht, stehen noch einige bauvorbereitende Maßnahmen auf unserer To Do-Liste.
Heute schauen wir uns die Kampfmittel- und die archäologischen Untersuchungen etwas genauer an.
Achtung! Explosive Hinterlassenschaften
Auf dem Weg vom Norden in den Süden kreuzt SuedLink mehrere Gebiete, die als Verdachtsflächen eingestuft sind. Auf denen also aufgrund der vorliegenden Daten über Luftangriffe, Bodenkämpfe und Kampfmittelfunde eine Kampfmitteluntersuchung notwendig ist. Hier müssen wir also ganz genau hinschauen, damit wir unsere Kolleginnen und Kollegen vom Bau nicht gefährden. Denn Blindgänger und Munitionsteile können auch nach Jahrzehnten noch sehr gefährlich sein.
Wie kommen Kampfmittel überhaupt in den Boden?
Die zwei großen Kriege sind ein Grund, aber nicht der einzige, wie Kampfmittelüberreste in den Boden kamen:
- Luftangriffe
- Bodenkämpfe
- Militärischer Regelbetrieb (Kasernengelände, Schießbahnen, Truppenübungsplätze)
- Munitionsvernichtung
- industrielle Standorte der Munitionsproduktion und -lagerung
Die Erkundungsarbeiten vor Ort werden von speziell zugelassenen Fachunternehmen durchgeführt. Werden dabei Kampfmittel gefunden, werden diese geborgen und in den meisten Fällen abtransportiert, um sie an sicherer Stelle zu entsorgen. Nur wenn sie nicht für den Transport geeignet sind, werden sie direkt vor Ort entschärft oder kontrolliert gesprengt. Zuständig dafür sind die Kampfmittelbeseitigungsdienste der Bundesländer.
Der Prozess läuft dreistufig ab:
1.
Die historische Erkundung
Für alle Flächen wird zunächst eine sogenannte historische Erkundung durchgeführt. Dabei durchforsten die Expertinnen und Experten in- und ausländische Archive sowie Luftbilder aus den Kriegsjahren. Mit diesen Informationen wird rekonstruiert, ob eine Kampfmittelbelastung wahrscheinlich ist. Hierfür müssen die Flächen nicht betreten werden. Für den Trassenverlauf von SuedLink ist dieser Schritt bereits abgeschlossen.
2.
Die technische Erkundung
Der nächste Schritt ist die technische Erkundung. Jetzt wird es konkret. Vor Ort wollen wir herausfinden, ob im Untergrund kampfmittelverdächtige Objekte (insbes. Metallobjekte) liegen. Instrumente dafür sind Flächensondierungen und Tiefensondierungen.
- Die Flächensondierung kann man sich vorstellen wie eine Schatzsuche mit Metalldetektor. Die Messgeräte werden an der Oberfläche über das zu untersuchende Gebiet geführt. Im Boden graben wir dabei nicht.
- Tiefensondierungen müssen wir vornehmen, wo wir später Spezialtiefbaumaßnahmen durchführen werden, also zum Beispiel HDD-Bohrungen. Hierbei werden Bohrlöcher abgeteuft, in denen die Messapparaturen in die benötigten Tiefen geführt werden.
3.
Die Kampfmittelräumung
Erhärtet sich ein Verdacht, wird genau nachgeschaut und gegraben. Hierzu sind meistens Baggerarbeiten notwendig. Ist der Störkörper gefunden, wird er entweder entsorgt oder zum Bereitstellungslager Kampfmittel transportiert. Wenn das nicht geht, wird er an den staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst übergeben, der ihn vor Ort entschärft oder vernichtet.
Nicht-invasive Oberflächensondierung: Ferromagnetik handgeführt mit einem Kanal (l. o.), handgeschoben mit mehreren Kanälen (r.o.), Georadar fahrzeuggestützt (r. u.) sowie handgeschoben (l. u.)
Tiefensondierung: Bohrung (links und rechts oben)
und Messung (rechts unten)
Für Anwohner gilt:
Bitte beachten Sie, dass es zu Behinderungen bei Parkmöglichkeiten und Zufahrten kommen kann. In der Regel quert SuedLink Felder, Wälder, umliegende Grundstücke und Zufahrten, die dann für die Dauer einer Kampfmitteluntersuchung gesperrt sind.
Wir beginnen im Sommer 2023 mit den Arbeiten vor Ort, vor allem in unserem bayrischen Abschnitt. Damit die Kolleginnen und Kollegen zügig arbeiten können, müssen die Verdachtsflächen vorbereitet werden:
Felder und Wiesen müssen eben, ungemulcht, abgezogen und bis auf 10 cm zurückgeschnitten sein. Außerdem frei von oberflächlichen Objekten, Müll und anderen Hindernissen. Nur dann können Kampfmittelfunde sicher bestätigt – oder bestenfalls eine kampfmitteltechnische Freiheitsbescheinigung ausgestellt werden.
Und friedliche Grüße aus der Vergangenheit
Auf den 700 Kilometern von SuedLink liegt nicht nur Gefährliches im Boden. Sondern auch der ein oder andere Schatz aus unserer langen Geschichte. Schon heute wissen wir, dass die Leitung zahlreiche Gebiete mit bekannten oder vermuteten Fundstätten berühren wird. Dort liegen zum Beispiel antike Siedlungen oder Gräberfelder im Boden. Damit wir diese bei den Bauarbeiten schützen und möglichst umgehen können, führen wir vor Baubeginn neben den Kampfmittel- auch archäologische Untersuchungen durch.
Natürlich nicht allein, sondern in enger Zusammenarbeit mit den Fachbehörden der jeweiligen Bundesländer und externen Expertinnen und Experten. Damit wir bedeutende Funde und Befunde nicht nur entdecken, sondern auch wissenschaftlich aufarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen können. Übrigens: um Funde zu schützen, kommunizieren wir die Fundstellen nicht öffentlich. Die Ergebnisse teilen wir aber in jedem Fall mit der Öffentlichkeit.
Die Untersuchungen gliedern sich dabei in unterschiedliche Phasen:
Archäologie während der Planungsphase
Bereits während der Planungsphase führen unsere Fachexpertinnen und -experten umfangreiche Arbeiten durch, um archäologische Verdachtsflächen aufzuspüren – am Computer und vor Ort. In Desktopstudien werden Karten durchsucht und Luftbilder sowie digitale Geländemodelle ausgewertet. Vor Ort finden zunächst Erkundungen ohne Eingriff in den Boden statt, wie zum Beispiel geophysikalische Untersuchungen oder Feldbegehungen. Bei Feldbegehungen werden Gebiete systematisch nach sichtbaren Oberflächenfunden abgesucht. Mithilfe geophysikalischer Untersuchungsverfahren wie der Geomagnetik können Bodendenkmäler kartiert werden. Dabei fährt ein Quad mit Sonden über eine Verdachtsfläche. Mithilfe des natürlichen Magnetfelds der Erde können Auffälligkeiten im Boden nachgewiesen werden.
Vorbereitende archäologische Arbeiten
Im nächsten Schritt, während der sogenannten vorbereitenden archäologischen Arbeiten, gehen wir den konkreten Verdachtsflächen buchstäblich auf den Grund. Hierfür legen wir im Bereich des SuedLink-Verlaufs maximal 60 cm tiefe Suchschnitte, also kleine punktuelle Untersuchungen, an. So erhalten wir einen ersten Einblick in den Boden und das darin enthaltene archäologische Erbe. Aufgedeckte archäologische Funde und Befunde in den Suchschnitten dokumentieren und bergen unsere Fachkolleginnen und -kollegen vollständig. Die vorbereitenden archäologischen Arbeiten dienen ausschließlich der Erkundung. Großflächige Ausgrabungen folgen in der nächsten Phase.
Bauvorgreifende archäologische Maßnahmen
Im Rahmen der bauvorgreifenden archäologischen Maßnahmen werden in Absprache mit den zuständigen Behörden solche Flächen vollständig ausgegraben, auf denen wir zuvor archäologische Fundstellen festgestellt haben und die im Rahmen der Baumaßnahmen nicht geschützt werden können. Das geschieht rechtzeitig vor den Tiefbauarbeiten für SuedLink. Denn wir wollen den termingerechten Baufortschritt weiterhin gewährleisten.
Baubegleitende archäologische Maßnahmen
Auch wenn der Bau beginnt, haben unsere Archäologinnen und Archäologen viel zu tun. Denn sie begleiten den gesamten Baubetrieb. Mobile Grabungsteams sind bei allen Bodeneingriffen dabei, um mögliche archäologische Befunde zu erkennen und gegebenenfalls direkt auszugraben. Das ist vor allem für das Abtragen des Oberbodens relevant. Die baubegleitenden Maßnahmen sollen gewährleisten, dass bislang unbekannte Fundplätze nicht undokumentiert zerstört werden. Gleichzeitig verfolgen wir auch in dieser Phase das Ziel, Verzögerungen im Bau von SuedLink durch schnelles, fachgerechtes Handeln zu vermeiden.
Die meisten der Verdachtsflächen befinden sich auf privatem Grund und Boden. Bei allen notwendigen Untersuchungen arbeiten wir daher eng mit den betroffenen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern sowie Bewirtschaftenden zusammen, um die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Über temporäre Einschränkungen informieren wir – sofern relevant – auch die lokale Bevölkerung rechtzeitig.