Interview mit Frank Schulze 

Der Fledermaus auf der Spur


Seit Beginn des Jahres arbeiten zahlreiche Experten daran, die Flora und Fauna entlang des möglichen SuedLink-Verlaufs genau unter die Lupe zu nehmen. So auch Frank Schulze. Dem passionierten Diplom-Biologen hat es eine Tiergattung besonders angetan: die Fledermaus. Er gewährt uns einen Blick in die Kartierungsarbeiten, die er gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen des Gutachterbüros BioConsult SH GmbH & Co.KG in Schleswig-Holstein und im nördlichen Teil Niedersachsens für SuedLink durchführt.
Kollegin Fiona Krüger bei der Platzierung einer Horchbox.
Herr Schulze, wie gehen Sie bei den Fledermaus-Kartierungen vor? 
Zunächst haben wir alle vom SuedLink möglicherweise berührten Bereiche nach Strukturen abgesucht, die eine besondere Bedeutung für Fledermäuse darstellen könnten. Daraus ergab sich in dieser Landschaft eine Konzentration auf Gehölzstrukturen. Da Fledermäuse durch ihre nachtaktive und für den Menschen meist unauffällige Lebensweise schwer zu erfassen sind, haben wir sogenannte Horchboxen eingesetzt. Dabei handelt es sich um akustische Aufnahmegeräte, welche die von Fledermäusen zum Beispiel zur Orientierung ausgestoßenen Ultraschalllaute erfassen können. Im Anschluss haben wir alle Aufnahmen analysiert und versucht, diese anhand spezifischer Parameter, wie etwa der Frequenz oder der Länge des Rufes, möglichst genau einer Art zuzuordnen. Diese Untersuchungen wurden in vier Phasen je sieben Tage lang durchgeführt, verteilt über die wichtigsten Zeiträume der sommerlichen Aktivitätsphase der Fledermäuse. So konnten wir für jeden untersuchten Bereich ein umfassendes Abbild der vorhandenen Fledermausaktivität erhalten.
Fledermausnetze sind meist sechs bis 15 Meter lang und bis zu neun Meter hoch.
Und was passiert mit diesen Informationen?
Ergaben sich Hinweise aus den Untersuchungen, dass in einem Bereich in der ersten Phase auch gehölzbewohnende Fledermausarten, wie zum Beispiel der Große Abendsegler oder die Fransenfledermaus auftraten, so haben wir in diesem Gebiet einen Fledermausnetzfang durchgeführt. Dieser ermöglicht uns, im Gehölzbestand liegende Quartiere dieser Arten zu ermitteln und festzustellen, ob diese im Bereich des geplanten SuedLinks liegen. Dafür wurden an allen diesen Standorten für eine oder mehrere Nächte Fledermausnetze aufgestellt. Sie sind meist sechs bis 15 Metern lang, bis zu neun Meter hoch und so fein, dass sie vor allem in der Dunkelheit für das menschliche Auge nahezu unsichtbar sind. Bei den gefangenen Tieren haben wir dann Informationen zu Art, Geschlecht, Alter und Reproduktionsstatus, also ob die Tiere schon einmal Jungtiere hatten bzw. diese jetzt gerade haben, erfasst.

Anhand dieser Informationen haben wir die Tiere, die wahrscheinlich gerade eine Wochenstube in Gehölzen bewohnten, das heißt das Quartier, in dem die Fledermäuse ihre Jungen aufziehen, identifiziert und mit einem Telemetriesender versehen. Diesen 0,27 Gramm schweren Sender bringen wir auf dem Rücken zwischen den Schulterblättern des Tieres an, was uns ermöglicht, es dann in den folgenden Tagen mittels eines VHF-Empfängers zu orten und so das zugehörige Quartier zu finden. Auch wenn das Quartier dann nicht im von der Kabelleitung betroffenen Bereich lag, haben wir an mehreren Abenden die ausfliegenden Tiere mittels Wärmebildkamera gezählt. Meistens lief eine der bereits erwähnten Horchboxen mit, um festzustellen, ob es sich um eine oder gegebenenfalls sogar mehrere Arten handelte, die zum Teil auch gemeinsam in den Quartieren vorkommen können.
Mittlerweile haben wir alle Untersuchungen im Feld abgeschlossen und konzentrieren uns gerade auf die Auswertung der erfassten Daten.
Wie genau funktioniert diese Auswertung bzw. was passiert mit den gesammelten Daten?
Die Analyse der Rufaufzeichnungen erfolgt mittels spezieller Software. Sie ermöglicht uns, die eigentlich für Menschen nicht wahrnehmbaren Rufe optisch und auch akustisch erfassbar zu machen. Dafür werden diese zum Beispiel in ihrer Frequenz soweit nach unten verschoben, dass sie in einem Bereich liegen, den wir Menschen hören können. Für jeden Ruf wird außerdem ein sogenanntes Sonogramm erstellt. Dabei handelt es sich um die optische Darstellung des Rufes, an dem wir die Einzelheiten bis auf die Millisekunde genau vermessen können und so eine exaktere Bestimmung der Art vornehmen können.
Am Ende überführen wir alle Daten in Geoinformationssysteme (GIS). Das heißt, es entsteht eine Karte, auf der alle für die Planung wichtigen Informationen zu den Fledermäusen zusammengetragen sind, wie etwa die vorhandenen Arten, die Anzahl der telemetrierten Tiere und die Standorte der festgestellten Wochenstuben. Sie kann als Datengrundlage für die weiteren Planungs- und Durchführungsschritte des SuedLinks genutzt werden.
Für Frank Schulze immer etwas Besonderes: eine Fledermaus in den Händen zu halten.
Was fasziniert Sie so an der Arbeit mit Fledermäusen?
Obwohl Fledermäuse in nahezu allen Landschaften vorkommen und es mittlerweile zahlreiche Untersuchungen und Forschungsarbeiten gibt, liegen noch so viele Aspekte ihres Lebens vollkommen im Dunkeln. So erlebe ich es oft, dass sich die Tiere ganz anders verhalten, als man es erwarten würde. Als bestes Beispiel kann hier der Netzfang an einem Standort für SuedLink genannt werden. Wir haben unsere Netze an einem wunderschönen Gehölz aufgebaut, mit zahlreichen alten Bäumen, Höhlungen und einem großen Anteil an bereits abgestorbenen Bäumen und bereiteten uns auf eine Nacht mit viel Arbeit vor. Im Endeffekt hatten wir in dieser Nacht keine einzige Fledermaus in unseren Netzen und auch die immer mitlaufende Horchbox vermeldete lediglich vier einzelne Kontakte. Aber so ist das mit Fledermäusen. Zusätzlich ist der Fang von Fledermäusen immer etwas ganz Besonderes. Dieses direkte Erleben der Tiere, sie in der Hand zu halten und das Beobachten, wie sie sich verhalten, wie sie wegfliegen, ist eine ganz andere Sache, als die sonst häufig nur mittels technischer Hilfsmittel durchzuführenden Beobachtungen. Dieses Erleben – das ist für mich persönlich besonders lohnend.
Warum ist Ihre Arbeit für das Gesamtvorhaben SuedLink wichtig?
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen stellen eine solide Datengrundlage, mit deren Hilfe die weiteren planenden Büros und Entscheidungsträger fachlich korrekte Entscheidungen treffen können. Dazu gehört auch, bei Bedarf Planungen anzupassen. Es kann keine Alternative gefunden werden, wenn nicht bewertet werden kann, was in dem Bereich überhaupt existiert und beeinträchtigt werden könnte.